
Emotionen können nützlich sein, wenn sie angemessen sind. Angst zu empfinden, wenn ein Feuer ausbricht, ist sinnvoll, da es zur schützenden Handlung führen kann. Lampenfieber hingegen ist eine Form der unangemessenen Angst, die eine effektive Regulierung benötigt.
Gesunde Emotionalität bedeutet die Kompetenz zur emotionalen Regulation.
Schwerpunkt aktueller Affektionswissenschaft ist die Frage, ob man auch absichtlich, zum Beispiel durch Übung in kontemplativen Techniken, die Fähigkeit zur Emotionsregulation trainieren kann. Dabei besteht die Hypothese, dass kontemplative Praktiken die emotionale Granularität verbessern, also die Fähigkeit Emotionen fein zu differenzieren.
In der wissenschaftlichen Psychologie wird postuliert, dass Emotionen durch frühere Erfahrungen geprägt werden. Die emotionale Reaktion wird hierbei mit dem sensorischen Input eingeordnet und frühere Erfahrungen werden wieder hergestellt (dies nennt man Konzepte). Der Sinn dahinter sei, dass das Gehirn versteht, was die Empfindungen verursacht hat und wie es handeln soll. So entstünden emotionale Gewohnheiten, denen es jedoch an Granularität mangelt, also an differenzierten Unterscheidungen. Wird eine Emotion nur grob wahrgenommen, kann der sensorische Input leicht mit einer früheren Erfahrung in Verbindung gebracht werden. Es besteht das Risiko von ineffektiven Handlungen, die der jeweiligen Situation nicht angemessen sind. Nimmt das Gehirn aber feinere Details der sensorischen Empfindung wahr (durch die Sinne des Körpers), können diese von früheren Erfahrungen unterschieden werden. Je feiner die Granularität, desto angemessener wird die Situation bewertet.
In kontemplativen Technilen des traditionellen Buddhismus besteht die Anweisung darin, alles, was in der Erfahrung auftritt, durch mentale Verbalisierung in jedem Moment zu notieren - etwa "Planung, Planung, Planung, Schmerz, Schmerz, Schmerz". Sowohl die traditionelle als auch die zeitgenössische Achtsamkeitspraxis beinhalten die Anweisung, mentale Zustände nicht als "zu mir gehörig" zu konstruieren, was in MBI oft als "sich nicht mit den eigenen Emotionen identifizieren" ausgedrückt wird. Diese "dezentrierende" Facette kann die Granularität verbessern, indem sie die psychologische Distanz schafft, um Beschreibungen von Erfahrungen zu verwenden, die nicht mit dem eigenen Selbstkonzept übereinstimmen.
Achtsamkeitsbasierte Interventionen werden zunehmend mit anderen Interventionsansätzen kombiniert. Es gibt zum Beispiel Hinweise darauf, dass die achtsamkeitsbasierte kognitive Therapie das Risiko eines depressiven Rückfalls bei Menschen mit wiederkehrenden Depressionen verringert.
Ergebnisse legen nahe, dass trainingsbedingte Steigerungen der emotionalen Granularität Verbesserungen der Emotionsregulation vermitteln können.
Theorie und erste Forschungsergebnisse stützen die Hypothese, dass kontemplative Praktiken zur Kultivierung einer förderlichen emotionalen Granularität beitragen könnten.[1]
[1] Vgl. Wilson-Mendenhall, D Christine und Dunne, D John (2021) Cultivating Emotional Granularity, Front Psychol. 2021; 12: 703658.
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